Aus dem Blickwinkel von Frauen und Müttern
von Dorothea Engel - Verband Berufstätiger Mütter e. V.
Muttersein ist etwas tolles – keine Frage. Die ersten Bewegungen vom Baby im Bauch spüren, das Kind auf seinen ersten Schritten im Leben begleiten. Für viele Mütter bedeutet Muttersein nicht nur Freude mit dem eigenen Kind, sondern auch weniger Berufstätigkeit, damit häufiger auch weniger Karriere und am Ende in der Regel weniger Rente. Altersarmut ist weiblich und Mutter. Und wenn wir ehrlich sind: Niemand möchte im Alter auf Sozialhilfe angewiesen sein oder auf die eigenen Kinder, um über die Runden zu kommen
Was läuft also falsch?
Häufig stellen sich schon die Weichen mit der Berufswahl, denn Berufe, die häufiger von Frauen gewählt werden, erzielen im Verhältnis zu typischen Männerberufen deutlich weniger Einkommen. Altenpflegerinnen verdienen im Durschnitt leider weniger als ein Kfz-Mechaniker. Und so ist die Chance relativ groß, dass sich eine Frau in einen Mann verliebt, der mehr Geld nach Hause bringt. Auch wenn beide der Meinung sind, dass sich beide Eltern um die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder kümmern sollten, wer wird wohl vermutlich eher Elternzeit nehmen? Vermutlich doch diejenige, die weniger verdient. Denn Gehaltseinbußen auf ihrer Seite wiegen weniger schwer, als auf seiner Seite. Im Grunde wäre es ja auch ökonomischer Unsinn, wenn der besser verdienende Mann zu Hause bliebe. Damit ist die Frau eindeutig in einer schwierigeren Verhandlungs-position gegenüber ihrem Partner – welche Argumente hat sie, um ihn davon zu überzeugen, dass er zu Hause bleibt und die Kinder hütet? Im Grunde keine.
Dazu kommen natürlich auch noch kulturelle „Fehlanreize“: Gesellschaftlich werden Mütter, die rasch nach der Geburt ihres Kindes wieder zurück in ihren Beruf kehren und das womöglich noch in Vollzeit, gerne als Rabenmütter abgestempelt. In Deutschland existiert immer noch eine gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass Frauen mit Kindern Zuhause bleiben. Das Kind braucht schließlich seine Mutter. Oder kennen Sie jemanden, der einen in Vollzeit arbeitenden Vater fragt „wie regeln Sie das eigentlich mit ihren Kindern, wenn sie den ganzen Tag arbeiten?“. In anderen Ländern ist es genau andersherum: Eine französische Mutter, die länger bei ihrem Kind zu Hause bleibt, wird eher als „faul“ oder „Du ruhst Dich wohl auf den Lorbeeren Deines Mannes aus“ abgestempelt.
Ist das Baby da und hat sich die Mutter für eine (längere) Auszeit entschieden, während der Vater – um die Familie zu versorgen – allenfalls 2 Monate Elternzeit nimmt, gibt es wiederum kaum Anreize, um das Verhältnis zwischen den Eltern in Bezug auf die Betreuung der Kinder anzugleichen. Zumindest dann nicht, wenn die Eltern verheiratet sind. Das sogenannte Ehegattensplitting ist erfunden worden, um die traditionelle Hausfrauen-Ehe finanziell zu entlasten. Das führt aber gerade dazu, dass es sich für viele Frauen finanziell nicht lohnt – wegen Steuerklasse V – mit einem geringeren Stundenkontingent zu arbeiten. Und so wird es über die Zeit immer mühsamer, die Schere zwischen seinem Einkommen und ihrem Einkommen zu schließen. Die deutsche Familienpolitik schafft zu viele Fehlanreise, weil es einem antiquierten Familienmodell folgt und es unterstützt, wenn einer der Partner nicht oder nur sehr wenig Geld verdient.
Weil viele Frauen auch eine Erfüllung im Beruf sehen und Familie und Beruf doch noch einigermaßen miteinander vereinbaren wollen, entscheiden sich viele Mütter in Teilzeit zu arbeiten oder wählen eine weniger wichtige Position im Unternehmen (Sachbearbeitung statt Projektleitung zum Beispiel). Manchmal tun sie das nicht freiwillig, sondern folgen nur dem Wunsch ihres Arbeitgebers. Denn gesellschaftlich gelten längere berufliche Auszeiten wie Elternzeit, aber auch ein Teilzeitwunsch, als ein Signal von weniger Arbeitsengagement. Der eine oder andere Vorgesetze ist der Meinung, dass Elternzeit oder Teilzeit gleichzustellen ist mit mangelnder Karriereorientierung. Warum soll ich mich als Mutter beruflich engagieren, wenn mir von außen signalisiert wird, dass meine Teilzeitstelle doch von meinem Chef verstanden wird als „die will keine Karriere machen“? D.h. teilzeitarbeitende Menschen werden häufig bei Beförderungen übersehen oder man traut ihnen den nächsten Karriereschritt nicht zu. Häufig wird auch argumentiert „diese Position kann nur in einer Vollzeitstelle ausgefüllt werden“.
Fazit: Wenn 60 Prozent der Paare sagen, sie würden sich Job und Haushalt gern gerecht teilen, aber nicht einmal ein Viertel von ihnen das tut, bestehen zu viele politische und gesellschaftliche Fehlanreize, um Müttern die Basis für ein partnerschaftliches Familienleben auf Augenhöhe zu ermöglichen.